Die Bewertung des Zustandes von Standgewässern gemäß
Wasserrahmenrichtlinie setzt eine leitbildgestützte Bewertung der Biozönosen,
durch die die Standgewässer geprägt sind, voraus. Dazu mussten im Zuge der
Bestandsaufnahme Standgewässertypen hergeleitet werden, die eine im
anthropogen unbelasteten Zustand für sie jeweils charakteristische
Lebensgemeinschaft (Referenzbiozönose) besitzen. Da die Datengrundlage für
eine derart umfangreiche biozönotische Typisierung bei Beginn der
Bestandsaufnahme nicht vorlag, wurde zunächst der umgekehrte Weg gewählt,
also vorab ein Standgewässertypensystem erarbeitet, in das sich im Idealfall
die für die Wasserrahmenrichtlinie relevanten Biozönosen (Phytoplankton,
Makrozoobenthos, Makrophyten/Phytobenthos, Fische) einordnen lassen.
Unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität erschien es sinnvoll, die
Anzahl der Typen möglichst gering zu halten, weil für jeden der zu
kreierenden Typen Referenzzustände und entsprechende Degradationszustände
aller relevanten Organismengruppen definiert werden müssen. Bei der
Entwicklung der Standgewässertypen mussten angesichts der Tatsache, dass
kein Standgewässer wie das andere ist und deshalb im Grunde genommen jedes
Standgewässer einen Typ für sich darstellt, Vereinfachungen hinsichtlich der
Typisierungskriterien vorgenommen werden. Die Typologie der deutschen
Standgewässer wurde von den Bundesländern gemeinsam in der
Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erarbeitet.
Die Typisierung folgt System B, ergänzt durch weitere Kriterien nach
System A des Anhanges II Nummer 1.2.2 der Richtlinie 2000/60/EG. Zur
Abgrenzung werden geographische, topographische, geologische, hydrologische
und morphometrische Kenngrößen verwendet.
Als erster Anhaltspunkt für die Lebensgemeinschaften der verschiedenen
Standgewässertypen wird die Trophie herangezogen. Sie charakterisiert neben
den chemisch-physikalischen Verhältnissen die Verhältnisse im Phytoplankton,
die später als ein wichtiges biozönotisches Kriterium fungieren werden. Die
übrigen für die Wasserrahmenrichtlinie relevanten Biozönosen konnten auf
Grund der noch fehlenden Leitbilder vorerst nicht berücksichtigt werden.
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Folgende Kriterien werden zur Abgrenzung der
Standgewässertypen verwendet:
- Seegröße: Bei der Typisierung werden nur WRRL-relevante
Standgewässer bzw. abgeschlossene Seebecken (als sogenannte Wasserkörper)
mit Wasserflächen von mindestens 0,5 km² berücksichtigt. Diese
Einschränkung auf die Mindestwasserfläche reduziert die theoretisch zu
erwartende große Zahl von Standgewässertypen erheblich.
- Ökoregion: Nach der Richtlinie 2000/60/EG werden in Deutschland
Standgewässer der Alpen und Voralpen, der Mittelgebirge und des Tieflandes
unterschieden. In der deutschen Typologie wird diese Einteilung der
Ökoregionen übernommen, wenn auch die daran gekoppelte Höhenabgrenzung für
Standgewässer wahrscheinlich wenig relevant ist. Mecklenburg-Vorpommern
und damit alle Standgewässer seines Territoriums liegen in der Ökoregion
des norddeutschen Tieflandes, das sich nördlich an die Mittelgebirgsregion
anschließt und bis zur Nord- und Ostsee reicht.
In dieser Ökoregion haben sich eine Reihe von Standgewässertypen gebildet,
die sich biozönotisch von den Standgewässern der Alpen und Voralpen sowie
der Mittelgebirge unterscheiden. Prägend für die Ökoregion sind
überwiegend flachere Seen.
- Geologie: Für die Charakterisierung der geochemischen
Verhältnisse des Standgewässereinzugsgebietes wird die
Calcium-Konzentration des Seewassers herangezogen. Von Kalkreichtum
spricht man bei Werten größer/gleich 15 mg/l, von Kalkarmut bei Werten von
kleiner 15 mg/l.
An Talsperren wurde festgestellt, dass die pH-Werte bei einer
Calcium-Konzentration kleiner 15 mg/l in den sauren Bereich wechseln, ab
15 mg/l Calcium jedoch gut gepuffert sind und stabil bei bzw. über pH 7
bleiben. Auch im Rahmen der Standgewässerbewertung nach trophischen
Kriterien wird dieser Grenzwert für die Differenzierung von kalkarmen und
kalkreichen Böden genutzt (LAWA 1999).
Für die Typisierung der Standgewässer auf deutschem Territorium erscheint
eine weitere Differenzierung der Calcium-Konzentration nicht sinnvoll, da
das vorhandene Datenmaterial nur wenige kalkarme Seen im Mittelgebirge
enthält. Alle WRRL-relevanten Standgewässer Mecklenburg-Vorpommerns sind
als kalkreich anzusprechen.
- Einfluss des Einzugsgebietes: Der Einfluss des
Standgewässereinzugsgebietes wird über das Verhältnis der
Einzugsgebietsfläche (inklusive Standgewässerfläche) zum
Standgewässervolumen charakterisiert, wobei zu unterschieden ist, ob der
Quotient größer bzw. kleiner/gleich 1,5 ist.
Natürliche Standgewässer stehen durch ihre Zuflüsse und den direkten
See-Umland-Kontakt in enger Wechselwirkung mit ihrem Einzugsgebiet. In der
Regel gilt: Je größer das Einzugsgebiet, desto größer die
Wahrscheinlichkeit, dass das Standgewässer nährstoffreich ist.
Hinsichtlich der Nährstoffausnutzung spielt hingegen die
Seebeckenmorphologie eine bedeutende Rolle. Ein flaches Standgewässer ist
bei gleicher Nährstoffkonzentration produktiver als ein tiefes
Standgewässer. Daher ist das Verhältnis der Einzugsgebietsfläche
(inklusive Standgewässerfläche) zum Standgewässervolumen [Volumenquotient
VQ in km²/(106·m³)] ein relativ gutes Maß für die Wirkung des
Einzugsgebietes auf den Stoffhaushalt des Standgewässers.
Das vorhandene Datenmaterial ergibt, dass die Mehrzahl der natürlichen
Standgewässer Deutschlands mit einem VQ bis zu 1,5 im Istzustand eine
geringe Trophie aufweisen.
Als zusätzliches Kriterium für den Einfluss der Einzugsgebietsgröße kann
der Flächenquotient (FQ), also das Verhältnis von Einzugsgebietsgröße zu
Standgewässerfläche, genutzt werden. Für die Abgrenzung der Typen wurde
der FQ zunächst allerdings nicht berücksichtigt, da dieser Quotient
stärker variiert.
Eine weitere Kenngröße des Einzugsgebietes mit Einfluss auf die Biozönose
von Standgewässern ist die theoretische Wasseraufenthaltszeit. Im Tiefland
lässt sich über mittlere sommerliche Verweilzeiten (Mai bis Oktober) von
mehr als drei Tagen (Abgrenzung zum typischen Fließgewässer), aber weniger
als dreißig Tagen der Typ eines Flusssees abtrennen, der durch einen
biozönotisch wirksamen Durchspüleffekt charakterisiert ist. Die Gewässer
dieses Typs werden über verhältnismäßig große Einzugsgebiete versorgt,
haben verhältnismäßig geringe Volumina, sind flach und demzufolge alle
polymiktisch (ungeschichtet).
- Schichtungseigenschaften: Für die Klassifizierung nach
Standgewässertypen wird die Unterscheidung zwischen geschichteten und
ungeschichteten Gewässern herangezogen.
In flachen ungeschichteten oder schwach geschichteten Standgewässern
stehen die Nährstoffe, die im Wasser oder Sediment nach der Zersetzung
freigesetzt werden, dem Algenwachstum unmittelbar zur Verfügung.
Massenentwicklungen von Algen, vor allem im Sommer, sind in eutrophierten
Standgewässern die Folge. Daher ist es wahrscheinlich, dass sich die
Biozönosen von geschichteten und ungeschichteten Standgewässern
unterscheiden. Es wird empfohlen, ein Standgewässer als geschichtet
einzuordnen, wenn die thermische Schichtung an der tiefsten Stelle des
Standgewässers für mindestens drei Monate stabil bleibt. Sofern nicht
genügend Messdaten zum Schichtungsverhalten des Standgewässers vorliegen,
kann als Hilfsgröße der Tiefengradient (MIETZ 1991) genutzt werden.
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Typisierungs-kriterien |
Mit Hilfe der oben genannten Kriterien ergeben sich für
Deutschlands Standgewässer mit Mindestwasserflächen von 0,5 km² insgesamt 14
Typen (MATHES et al. 2002). In der Tieflandregion werden die
Standgewässertypen 10 bis 14 unterschieden:
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Typisierungssystem für Standgewässer mit
Wasserflächen von mindestens 0,5 km² im
deutschen Tiefland |
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Die Bezeichnungen der Typen lauten im Einzelnen:
- Typ 10: kalkreich, relativ großes Einzugsgebiet, geschichtet
- Typ 11: kalkreich, relativ großes Einzugsgebiet, ungeschichtet,
Verweilzeit > 30d
- Typ 12: kalkreich, relativ großes Einzugsgebiet, ungeschichtet,
Verweilzeit 3 - 30d
- Typ 13: kalkreich, relativ kleines Einzugsgebiet, geschichtet
- Typ 14: kalkreich, relativ kleines Einzugsgebiet, ungeschichtet
In Mecklenburg-Vorpommern sind diese Standgewässertypen alle, wenn auch
in unterschiedlicher Häufigkeit, vertreten. Insgesamt wurden 175
WRRL-relevante Standgewässer des Landes typisiert. Diese bilden 202
Wasserkörper, von denen zwei Wasserkörper des Schaalsees im Territorium von
Schleswig-Holstein liegen.
Seetyp |
Typ-Nr. |
Anzahl Seen |
Anzahl Wasser-körper |
See-fläche [km2] |
Beispiele |
relativ großes
Einzugsgebiet geschichtet |
10 |
67 |
74 |
175,2 |
Plauer See, Tollensesee,
Kölpinsee, Fleesensee |
relativ großes
Einzugsgebiet ungesch., Verweilzeit < 30 d |
11 |
80 |
86 |
174,3 |
Kummerower, Malchiner See,
Goldberger, Galenbecker See |
relativ großes
Einzugsgebiet ungesch., Verweilzeit < 30 d |
12 |
3 |
3 |
3,7 |
Sternberger, Woezer See,
Speicher Farpen |
relativ kleines
Einzugsgebiet geschichtet |
13 |
22 |
32 |
140,3 |
Schweriner, beide Krakower
Seen, Charwitzer, Drewitzer, Schaalsee |
relativ kleines
Einzugsgebiet ungeschichtet |
14 |
3 |
7 |
111,7 |
Müritz, Dreetzsee,
Schmollensee |
Summe |
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175 |
202 |
605,2 |
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Zuordnung der Standgewässer zu den
Standgewässertypen gemäß Wasserrahmenrichtlinie in
Mecklenburg-Vorpommern |
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Weitere Gewässertypen lassen sich mit dem vorliegenden Typisierungssystem
nicht erfassen und werden zunächst unter der Rubrik Sondertypen geführt (z.
B. Moorseen, Strandseen). Wegen mangelnder Datenlage können Strandseen in
Mecklenburg-Vorpommern bisher nicht gesondert ausgewiesen werden.
Das auf einer Beschreibung mit abiotischen Kriterien beruhende
Typisierungssystem der Standgewässer in Deutschland erweist sich als gute
Arbeitsgrundlage für typbezogene Bewertungssysteme auf der Basis von
biologischen Komponenten im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie. Insgesamt ist
beim gegenwärtigen Stand der biotischen Typisierungssysteme zu
berücksichtigen, dass die Datengrundlage für eine statistisch abgesicherte
Abtrennung der Typen in vielen Fällen noch nicht ausreicht. Daher muss davon
ausgegangen werden, dass das Standgewässertypensystem in den nächsten Jahren
weiter anzupassen ist. In der folgenden
Karte
(pdf,
488kb) ist die Verteilung der insofern vorläufigen Standgewässertypen
auf die WRRL-relevanten Standgewässer Mecklenburg-Vorpommerns dargestellt.
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Standgewässertypen gemäß Wasserrahmen-
richtlinie in Mecklenburg-Vorpommern |

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vergrößern -
(pdf, 412kb) |
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Typisierungs-system |
Im Folgenden sei auf weiterführende Literatur zum Thema
Standgewässertypologie verwiesen:
LAWA (1999): Gewässerbewertung - stehende Gewässer.
Vorläufige Richtlinie für eine Erstbewertung von natürlich entstandenen Seen
nach trophischen Kriterien 1998. Länderarbeitsgemeinschaft Wasser.
Kulturbuch-Verlag, Berlin: 74 S.
MATHES, J.; PLAMBECK, G., SCHAUMBURG, J. (2002): Das
Typisierungssystem für stehende Gewässer in Deutschland mit Wasserflächen ab
0,5 km2 zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. In: Deneke, R., Nixdorf,
B. (Hrsg.), Implementierung der EU-Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland:
Ausgewählte Bewertungsmethoden und Defizite, BTUC-AR 5/2002: 15 - 24.
MIETZ, O. (1991): Allgemeine limnologische Charakteristik
von 12 Potsdamer Landseen unter der besonderen Berücksichtigung des
Einflusses von topographischen und morphometrischen Parametern auf den
Chlorophyll-Gehalt. Dissertation A, Humboldt-Universität Berlin: 129 S. |
Literatur zur
Standgewässer-typologie |